Filmpremiere am Stilfserjoch: Ein Motorradabenteuer zwischen Chaos und Glück

Eigentlich wäre dies ein Bericht über die Filmpremiere zum 200-jährigen Jubiläum des Stilfserjochs. Gleichzeitig sollte dem regelmässigen Leser auch bekannt sein, dass bei mir selten etwas nach Plan läuft. Auch nicht bei diesem Event. Deshalb fange ich ganz von vorne an.

Jürgen aus dem Südtirol kenne ich schon länger. Wir glauben, dass alles begann, weil er eines meiner Yamaha FZR 1000 Fotos auf Instagram kommentierte. Jürgen hat auch einen Motorradblog, nur mit etwas mehr Erfahrung. Er schrieb ein Buch und darf regelmässig für grosse Magazine schreiben. Wenn ich also Fragen zum Thema Blog habe, dann frage ich öfter ihn. Er ist eine Art Blog Götti.

Vor einem Monat fragte er mich, ob ich an eine Filmpremiere aufs Stilfserjoch kommen möchte. Er hätte zusammen mit einem Freund, Alex, einen Film über den doch nicht unbekannten Pass gemacht. Sie würden diesen in der Tibet Hütte auf der Passhöhe präsentieren. Ich war hoch erfreut, dass er mich fragte und sagte zu.

So ging es am Freitag, dem 3.10., los in Richtung Süden. Eine Reise quer durch die Schweiz lag vor mir, diagonal vom Nordwesten bis in den Südosten. Nach einer langen Strecke auf der Autobahn fuhr ich über den Flüela und Splügenpass. Um nun noch auf das Stilfserjoch zu kommen, musste ich von St. Maria den Umbrail hoch. Mamamia war das eng, aber ich habe es geschafft und war sehr erfreut, als ich oben auf der Passhöhe des Stilfserjochs ankam.

Bevor ich mir mein wohlverdientes Bier gönnte, wollte ich erst in meinem Hotel einchecken. Im Hotel Stilfserjoch erfuhr ich dann, dass ich anstelle vom Hotel Stilfserjoch im Hotel Stilfserhof gebucht hatte. Ok, wo ist das denn, fragte ich mit etwas Hoffnung. Die Antwort war leicht beunruhigend, im Dorf Stilfs. Das Dorf ist genau am Anfang der 48 Kehren des Stilfserjochs. Mein Herz blieb kurz stehen, ich wollte nach dem Umbrail nicht nochmal so viele enge Kurven mit meinem Auto fahren und da schon gar nicht bei Nacht.

Auf der Passhöhe des Stilfserjochs gab es aber noch drei weitere Hotels und ich ging voller Hoffnung los, denn die Saison war schon vorüber. In jedem Hotel wurde Italienisch gesprochen. Damit ich möglichst gut ankam, legte ich mir mit meinem schlechten Italienisch einen Satz zusammen, um meine Situation zu erklären. Ausser komischen Blicken, spöttischem Grinsen oder herablassenden Worten auf Italienisch bekam ich nur Absagen. Die Schlüsselbretter waren jedoch mehr als halbvoll. So kam es, dass sie auf unrühmliche Weise mitbekamen, dass ich kein Italiener bin. Später am Abend erfuhr ich dann, dass es unmöglich sei, dass alle Hotels um diese Zeit ausgebucht sind.

Jetzt half alles nichts mehr, ich entschied mich für das langersehnte Feierabendbier. So machte ich mich mit all meinem Gepäck, der dicken Jacke und einem Enduristanrucksack auf den Weg zur Tibet Hütte, wo der Film vorgestellt werden sollte. Während ich das Feierabendbier und die Aussicht runter in die unzähligen Kehren genoss, freundete ich mich langsam mit dem Gedanken an, dass ich im Auto schlafen muss. Es war wieder einmal der Moment, in dem ich nicht wusste, ob ich mich über mich aufregen oder amüsieren soll. Ich entschied mich für Zweiteres.

Langsam füllte sich die Terrasse mit Motorradfahrern und schon bald tauchte auch Jürgen auf. Er begrüsste alle Gäste und so kam er dann auch zu mir. Wir freuten uns, uns endlich ausserhalb vom Netz zu sehen, es war, als würde man einen alten Freund treffen. Auch zu meinem, in diesem Moment, doch sehr grossen Problem hatte er eine Lösung: Alex, er war neben Jürgen die zweite treibende Kraft an diesem Filmprojekt, hatte genau neben mir das Hotel gebucht und ich hatte so ein Taxi, man war ich froh.

Nun war es auch schon 17 Uhr und die Filmpremiere startete gleich, ich ging rein und setzte mich ganz nach hinten, es war schon recht voll. Jürgen und Alex begannen mit der Präsentation, erzählten, wie das alles entstanden ist und wie sie zur Idee kamen, einen Film über das 200-jährige Jubiläum des Stilfserjochs zu machen. Zusammengefasst, ein Projekt voller Herzblut und Leidenschaft, ohne finanzielle Hintergedanken, einfach, weil man Freude daran hat. Das liebe ich. Dies war auch im Film zu spüren.

Zwischen den Motorradfahraufnahmen wurde über die Geschichte, Geografie, Natur und Menschen des Stilfserjochs erzählt. Es kamen Hotelbesitzer, Gäste, Wurstbudenbesitzer und Arthur Gfrei zu Wort. Arthur Gfrei ist Passhistoriker und lebte über 50 Jahre auf dem Stilfserjoch. Seine Familie führte eines der Hotels mit den unfreundlichen Mitarbeitern vom Anfang dieser Geschichte. Er wuchs darin auf und führte es einige Jahre selbst. Deshalb weiss er sehr viel über den Pass, über die Gletscher, aber auch über die militärischen Geschehnisse im Ersten Weltkrieg und die Geschichte im Allgemeinen. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber der Film war viel zu schnell zu Ende.

Nach dem Film gab es einen Apero und man mischte sich unter die Menschen. Ich bin ein Menschenfreund und freue mich stets, neue Leute und deren Geschichten kennenzulernen. Leider fällt es mir aber unglaublich schwer, den ersten Schritt zu tun. Was ein grosses Problem ist, wenn man nur unter Fremden sitzt. Deshalb schaute ich mich um, wo ein freier Platz bei sympathisch wirkenden Menschen ist. Und so kam ich an den Tisch von Petra und Johannes. Zum Glück war das Essen köstlich und so kamen wir ins Gespräch. Huf, erste Hürde hinter mir. Sie sind aus Deutschland ins Südtirol ausgewandert. Petra ist Künstlerin und Johannes führt Motorradtouren. So war es nicht schwierig, ein Gesprächsthema zu finden. Johannes ist nicht nur Motorradtourenführer, sondern auch Blogger. Als wir begannen, Visitenkarten und Sticker auszutauschen, wurden das Paar am benachbarten Tisch auf uns aufmerksam. Denn auch sie sind, Überraschung, Motorradfahrer. Michaela und Peter bieten Motorradtouren für Frauen an. Und wieder eine Hürde weiter, es lief wie geschmiert und so sollte es bleiben. Der Abend wurde länger und die Menschen weniger und so wechselte ich den Tisch. Nun war ich nicht mehr der Einzige, der Hochdeutsch mit Akzent sprach, denn nun sassen mir zwei Südtiroler, Johann und Jan, gegenüber, ein Genuss, ihnen zuzuhören. Es war einfach schön, über Motorräder zu sprechen, ohne dass man Angst hat, dass man jemanden langweilt.

Als der Abend dann zu Ende ging, durfte ich mit Alex und Helga mit runter nach Stilfs fahren. Er macht YouTube Videos und schreibt Reiseführer. Ihr könnt euch vorstellen, wie schnell die 48 Kehren vorüber waren. Ich war sehr froh, dass ich die nicht allein fahren musste. Mein Hotel, Stilfserhof, war super. Am nächsten Morgen wurde ich freundlich empfangen und es gab ein ausgiebiges Morgenessen. Dann musste ich wieder hoch aufs Stilfserjoch, nun mit dem Linienbus. Ja, da gab es einen Linienbus und nicht so einen kleinen, einen normalen Linienbus. Das war eine Erfahrung. Der Bus berührte in den Kehren immer wieder den Asphalt, während der Busfahrer am Telefonieren war. Ich kann nun von mir behaupten, dass ich das Stilfserjoch kenne: vor ein paar Jahren fuhr ich mit dem Motorrad runter, ich habe den Film gesehen, fuhr bei Nacht runter und bei Tag mit dem Bus hoch. Viel mehr Abenteuer geht nicht mehr. Mit vielen interessanten Geschichten, machte ich mich auf die lange Reise nach Hause.

Der Film ist leider noch nicht öffentlich verfügbar. Ist es soweit,werde ihr die ersten sein, die ihn zu sehen bekommen werden. Damit ihr aber nicht zu lange warten müsst gibt's hier schon mal den Trailer:




Noch keine Kommentare